Kein Film hätte sich besser geeignet für die Wiederaufnahme der Vorführungen in der Cinémathèque suisse nach der Sommerpause – und nach den vielen Monaten der Schliessungen und Einschränkungen aufgrund der Covid-19-Pandemie. Stellen Sie sich vor: Ein einsamer Mann (oder fast, aber wir verraten die Wendungen der Geschichte nicht!) befindet sich zufällig an Bord eines verlassenen Ozeandampfers, der auf dem Meer treibt. Bestimmt wissen Sie wer … Es ist Buster Keaton, der in The Navigator in Zusammenarbeit mit Donald Crisp eine Figur schuf, die mit den Entwicklungen nicht wirklich Schritt halten kann – ein bisschen wie wir alle in den letzten Monaten. Lockdown mit Zero Ansteckungsrisiko auf dem Dampfer, und als Ersatz für die medizinische Maske trägt er einen Taucheranzug. Das Homeoffice ist allerdings etwas kompliziert: Die Handlung spielt im Jahr 1924, und unser Mann muss sich mit den Gegenständen aus der Affäre ziehen, die ihm auf dem Dampfer zur Verfügung stehen: alle ein bisschen überdimensioniert für einen einsamen Matrosen.
Da wir nun unserem Publikum endlich eine dieser unvergesslichen Vorführungen bieten wollen, bei denen sich das Lachen von Jung und Alt mit Musik vermischt, haben wir mit dem Orchestre des Jardins musicaux die Produktion einer Originalpartitur zur Untermalung des Films an die Hand genommen. Nach Steamboat Bill, Jr. und The General wird auch hier der britische Komponist Martin Pring das Publikum an Bord des genialen Keaton nehmen. Doch da das Cinema Capitole gerade restauriert wird (auch der Film wurde für diesen Anlass kürzlich von Lobster Films restauriert), mussten wir anders und gross denken … Und mussten nicht weit gehen: nur wenige Schritte die Avenue du Théâtre hinunter. Die beiden Vorführungen von The Navigator am 28. August um 16 und 20 Uhr werden nämlich in der Opéra de Lausanne organisiert, in Zusammenarbeit mit der Zauberlaterne und RTS, die diese neue Komposition aufnehmen wird.
Bei Redaktionsschluss dieses Programms hoffen wir natürlich, dass die spektakuläre Wiedereröffnung risikofrei und ohne (allzu viele) Einschränkungen vonstattengehen kann. Zu sehen, wie Buster Keaton die verzwicktesten Situationen meistert, stimmt uns zuversichtlich. Und so planen wir bereits das grösste Abenteuer für Ende August im nächsten Jahr, das uns von der Schifffahrt zur … Eisenbahn führt. Am selben Ort, allerdings nicht zur selben Zeit, werden wir das fast achtstündige Stummfilm-Meisterwerk La Roue (1923) des grossen französischen Regisseurs Abel Gance zeigen, das Jean Epstein für «den schönsten Film der Welt» hielt.
Der Film wurde von der Fondation Jérôme Seydoux Pathé, der Cinémathèque française und der Cinémathèque suisse restauriert, ebenso die Partitur mit Originalkompositionen von Arthur Honegger und Auszügen weiterer Kompositionen aus jener Zeit, darunter von Darius Milhaud, Pietro Mascagni und Paul Dukas. Der Film- und Musikmarathon La Roue wird einmal mehr vom unermüdlichen Orchestre des Jardins interpretiert, unter der Leitung von Valentin Reymond.
Frédéric Maire, directeur de la Cinémathèque suisse