Belmondo, Le Magnifique

Diverses 8. September 2021


Die Cinémathèque suisse ehrt den grossen französischen Schauspieler Jean-Paul Belmondo, den Weltstar des Films – und auch des Theaters –, der vor wenigen Tagen im Alter von 88 Jahren gestorben ist.
Der Sohn des Bildhauers Paul Belmondo, das «Enfant terrible» des Conservatoire national supérieur d’art dramatique, gehörte mit Jean-Pierre Marielle, Jean Rochefort, Bruno Cremer, Annie Girardot und Claude Rich zu einer Gruppe von «Filous», die gemäss Rochefort «das Talent hatten, sich nie wirklich ernst zu nehmen». Mit dem Ergebnis, dass Belmondo von dieser französischen Institution bei der Abschlussfeier nicht den ersten Preis erhielt, den er eigentlich verdient hätte, sondern sich, trotz der Empörung seiner Mitstudierenden, mit einer lobenden Erwähnung begnügen musste. Übrigens sollte er danach nie mehr einen Preis erhalten. Mit Ausnahme eines César, einer Goldenen Palme und eines Goldenen Löwen, die viel später seine beachtenswerte Karriere (zu knapp) würdigten.
Denn Belmondo hatte zwei Seiten: Zum einen war er der Schauspieler, der intuitiv, spontan, flink und frei arbeitete und einige der herausragendsten Rollen des französischen Kinos verkörperte, zum anderen hatte er etwas von einem Rowdy, war ein grosser Liebhaber des Boxsports und spektakulärer Stunts, der berühmte Bébel, der schliesslich auch in Filmen auftrat, die zwar in der Versenkung verschwanden, jedoch viel über das damalige Frankreich aussagten. Über Claude Chabrol (A double tour, 1959) kam er zur Nouvelle Vague und wurde mit seinen zwei Hauptrollen in Jean-Luc Godards Filmen A bout de souffle (1960) und Pierrot le fou (1965) sogar zu einer Art Kultfigur. Doch er war auch in Jean-Pierre Melvilles Filmen Léon Morin prêtre (1961), Le Doulos (1962) und L’Aîné des Ferchaux (1963) zu bewundern.
Zu Beginn der 60er-Jahre reiste er oft nach Italien, wo sein gestählter Körper für Bewunderung sorgte, obwohl er dort den Spitznamen «il brutto», der Hässliche, erhielt. Er arbeitete mit Vittorio de Sica (La Ciociara), Alberto Lattuada (Lettere di una novizia) und Mauro Bolognini (La viaccia).
In jener Zeit wurde Belmondo durch seine Begegnung mit Philippe de Broca, mit dem er sechs Filme drehte, darunter Cartouche (1962), L’homme de Rio (1964) und Les tribulations d’un Chinois en Chine (1965), zum waghalsigen Draufgänger, der seine Stunts selber ausführte.
40 Filme drehte der Arbeitsversessene zwischen 1960 und 1969 und trat mit Filmgrössen auf wie Jean Gabin (Un singe en hiver, Henri Verneuil, 1962), Bourvil (Le cerveau, Gérard Oury, 1969), Claudia Cardinale (Cartouche, 1962) und Catherine Deneuve (La sirène du Mississipi, François Truffaut, 1969)! 1970 nahm seine Karriere mit Borsalino von Jacques Deray eine Wendung. Er spielte an der Seite von Alain Delon, der später eher sein Freund als sein Rivale werden sollte. Dieser Film, den Delon produziert hatte, ermutigte Belmondo, seine eigene Firma Cerito zu gründen und auf ihn zugeschnittene Filmprojekte zu verwirklichen.
Mit den Jahren wurde Bébel – oft in Zusammenarbeit mit Georges Lautner (sie drehten sieben Filme zusammen) – zum Windhund (der Titel einer seiner Filme im Jahr 1979), Profi, Aussenseiter, Puppenspieler oder zum As der Asse … Zwischen Thriller, Abenteuerfilm und Komödie (namentlich mit Claude Zidi und Gérard Oury) entwickelte er sein Markenzeichen, das zum Kassenerfolg führte, dessen bekannte Rezepte das Publikum jedoch mit der Zeit ermüdeten.
Ende der 80er-Jahre wandte er sich wieder dem Theater seiner Anfänge zu und feierte insbesondere mit zwei Stücken Publikumserfolge: Kean und Cyrano de Bergerac. Dazwischen drehte er mit Claude Lelouch den Film Itinéraire d’un enfant gâté (1988), der Parallelen zu seinem eigenen Werdegang aufweist und seine letzte grosse Filmrolle sein sollte.
Dürfte ich für die Hommage nur einen Film auswählen, wäre es Le Magnifique (1973) von Philippe de Broca, der die zwei Seiten dieses aussergewöhnlichen-Schauspielers recht gut zusammenfasst: Belmondo verkörpert darin sowohl einen blassen Autor von Schundromanen als auch die Figur des Helden seiner eigenen Romane, den lächerlichen Bob Saint-Clar, irgendwo zwischen James Bond und OSS 117. Wie wenn der Belmondo der ersten Stunde den späteren Bébel kreuzen würde. Und dabei – für immer – der Teufelskerl bleibt.
Frédéric Maire

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