Bertrand Tavernier, einer der bedeutendsten Regisseure des französischen Kinos (Que la fête commence, Le Juge et l’Assassin, Coup de torchon, Un dimanche à la campagne…), ist gestern im Alter von 79 Jahren gestorben. Er war auch ein grosser Filmliebhaber, Herausgeber und Autor zahlreicher Bücher über die Filmkunst sowie ein beispielloser Vermittler und Geschichtenerzähler. Welch ein Genuss, ihm zuzuhören, wenn er seine Filme oder – noch mehr – die anderer vorstellte! Bertrand war in verschiedener Hinsicht ein enger Freund der Cinémathèque suisse, die er oft besuchte: Im September 1992 auf Einladung von Freddy Buache, im Oktober 1996 zur Eröffnung seiner Gesamtwerkschau in Lausanne, und vor nicht allzu langer Zeit zur Präsentation seines Voyage à travers le cinéma français im Capitole. Als Präsident des Instituts Lumière in Lyon, seiner geliebten Geburtsstadt, war er uns sehr verbunden. Er griff auf unsere Bestände zurück, als er seine Histoires du cinéma français verfasste. Und bei seinem Besuch unseres Forschungs- und Archivierungszentrums in Penthaz im Jahr 2017 begeisterten ihn die Qualität der Autant-Lara-Archive und die Schönheit der dort darin enthaltenen Skizzen von Max Douy.
Der 1941 geborene Bertrand Tavernier verbrachte seine Jugend in Paris, wo er Volker Schlöndorff kennenlernte, der ihn in die Cinémathèque française einführte. In den 1960-Jahren schrieb er Filmkritiken für verschiedene Zeitschriften (Les Cahiers du cinéma, Positif, usw.) und assistierte Jean-Pierre Melville (Léon Morin, prêtre, 1961). 1973 kehrte er für seinen ersten Spielfilm nach Lyon zurück: L'Horloger de Saint-Paul, eine Adaption eines Kriminalromans von Simenon. Dabei lernte er Philippe Noiret kennen, der sein Lieblingsschauspieler werden sollte. Im Laufe seiner Karriere pendelte Tavernier zwischen historischen Filmen und zeitgenössischen Werken und zeigte eine Vorliebe für gesellschaftliche Themen. Nebst seiner Präsidentschaft des Institut Lumière war er auch Mitautor eines Referenzwerks zum Film aus Übersee: 50 ans de cinéma américain.
«Der «Grossverbraucher» von Filmmaterial, der Gebildete, der Geniesser Tavernier war ein Meister des engagierten, aufwühlenden Kinos ohne Moralisierungs- oder Belehrungsansprüche – das Zeugnis eines empörten Menschen», schrieb Hervé Dumont im Bulletin der Cinémathèque suisse im Jahr 1996. La Vie et rien d’autre, der Titel eines seiner bekanntesten Filme, hätte seine Devise sein können. Danke für dieses Erbe, diese «ansteckende» Leidenschaft für den Film, Monsieur Tavernier!
Numero di immagini 1 / 3